Die Kondor-Flugzeugwerke
Luftfahrt-Pioniere gründeten 1912 am Gelände des heutigen Triple Z
Im Schatten der Fördertürme der Zollverein-Schachtanlage 4/5 – Schacht 11 war noch nicht abgeteuft – startete 1912 die erste Maschine vom Flugplatz Essen-Gelsenkirchen-Rotthausen. Der erste kommunale Flughafen Deutschlands entwickelte sich nicht nur rasch zu einem wichtigen Knotenpunkt im frühen Luftverkehrsnetz des Kaiserreichs, sondern auch zu einem wichtigen Unternehmenszentrum: So gründete sich gleich nach der Eröffnung des Flugfeldes in direkter Nachbarschaft das Kondor Flugzeugwerk – vier Jahre, bevor in den USA Boeing seinen ersten Flugapparat herstellte.
Erster Verkaufsschlager der Kondor-Werke war das Modell Taube, eine typische Konstruktion der frühen Jahre, die sich noch stark am ersten motorisierten Gleiter der Brüder Wright aus dem Jahr 1903 orientierte. Immerhin: Die Kondor-Taube hatte bereits einen Rumpf, so dass der Pilot nicht mehr – wie noch Wilbur und Orville neun Jahre zuvor – komplett im Freien sitzen musste.
Dennoch war die Taube in erster Linie ein Sportgerät, das sich allenfalls zur Beförderung von Post geeignet hätte – und etwas anderes hatten die Gründer der Kondor-Werke zunächst auch noch gar nicht im Sinn. In der Gründungsurkunde ihrer GmbH heißt es: „Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Verkauf von Flugzeugen, die Ausbildung von Flugzeugführern, die Beteiligung an Flugwettbewerben….“ Letzteres freilich nicht nur, um den sportlichen Ehrgeiz zu befriedigen, obwohl dieser durchaus groß war.
Immerhin waren die Kondor-Gründer bereits seit 1908 in selbstkonstruierten Maschinen immer wieder zu Wettflügen gestartet. Dabei ging es freilich noch nicht um Geschwindigkeit sondern darum, möglichst lange in der Luft zu bleiben. Zehntausende von zahlenden Zuschauern kamen, um die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten zu sehen. Die Preisgelder für die Sieger waren entsprechend hoch, und so entstand ein lukratives Spektakel, das in vieler Hinsicht mit dem Formel-1-Zirkus heutiger Tage vergleichbar ist. Und deswegen erhielt der Flugplatz Rotthausen, genau wie die ebenfalls 1912 eröffnete Trabrennbahn gleich nebenan, eine große Zuschauertribüne. Ein Abfertigungsterminal für Fluggäste hingegen wurde nie gebaut.
Denn obwohl die Kondor-Werke während des Erstens Weltkriegs einen Boom erlebten und die Belegschaft zeitweise auf 1200 Arbeiter anwuchs, blieben dennoch viele ehrgeizige Pläne unvollendet – unter anderem der für ein Passagierflugzeug. Der größte Teil der insgesamt knapp 500 in Rotthausen gefertigten Flugzeuge waren vom deutschen Heer georderte Aufklärer des Typs Albatros B II. Die soliden Doppeldecker wurden in Lizenz für die Albatros-Werke Berlin hergestellt.
Nach dem Ersten Weltkrieg fehlten den Flugzeugbauern Kunden. Denn das Militär fiel als Auftraggeber weg, die zivile Luftfahrt steckte noch in den Kinderschuhen und die große Begeisterung für die Sportfliegerei war verflogen. Und so schloss das Flugzeug-Werk in Rotthausen 1920, das Unternehmen Kondor hingegen bestand bis 1993 weiter und produzierte an seinem Standort in Ostwestfalen Möbel – keine so große Umstellung, wie es aus heutiger Sicht scheint, denn bei den frühen Flugzeugmodellen war Holz ein wichtiger Werkstoff. So stammten zum Beispiel die hölzernen Propeller für zahlreiche Kondor-Flugzeuge aus dem Firmen eigenen Werk in Lemgo. Nicht zuletzt befand sich Kondor in guter Gesellschaft, denn zahlreiche Unternehmen, die in der jungen Aviatik-Branche begonnen hatten, mussten bald umsatteln. Und wer weiß zum Beispiel heute noch, dass die Jacuzzi Brüder ab 1915 Flugzeuge bauten, ehe sie auf die Idee mit den Whirlpools kamen?