Ohne Importe: vGreens-Technik sorgt für endlose Erdbeerzeit
Die Zukunft der Landwirtschaft sieht wahrscheinlich genau so aus: In einer Produktionshalle in Gebäude 13 des Triple Z reifen gerade Erdbeeren heran – nicht in der Erde am Boden, sondern vertikal in einer über sechs Meter hohen Erntezelle. Was einem gigantischen Kühlschrank ähnelt, schafft perfekte Bedingungen für leckere Erdbeeren – völlig unabhängig von Wetter und Klima. Das Startup vGreens will damit umweltschädliche Importe aus wärmeren Ländern überflüssig machen.
Vertical farming
Bis zu 500 Pflanzen passen in eine Erntezelle – nebeneinander und vor allem übereinander. Die Wurzeln der Pflanzen stecken in kleinen Gittertöpfchen, worin sie über ein Röhrensystem tröpfchenweise mit Nährstoffen und Wasser versorgt werden. In der simulierten Nacht ist es in der Erntezelle etwa 10 Grad kalt, am simulierten Tag im Schnitt 22 Grad mit optimaler Beleuchtung.
Die Bestäubung funktioniert mit Ventilatoren. Bald wird aber ein Hummelvolk übernehmen. Sie werden nicht die einzigen tierischen Bewohner sein: Neben Erdbeeren werden auch Raubmilben in der Erntezelle gezüchtet, die gerne Schädlinge wie Spinnmilben und Thripse fressen. Auf Pestizide kann deshalb komplett verzichtet werden.
Etwa eine Tonne Erdbeeren pro Jahr schafft eine Erntezelle. Durch die vertikale Bepflanzung braucht vGreens für die Produktion 99 Prozent weniger Ackerfläche, als in der konventionellen Landwirtschaft. Auch bei Wasser und Dünger kann sehr viel gespart werden. Da Flüssigkeiten nicht versickern, sondern durch das Röhrensystem zirkulieren, können sie mehrfach genutzt werden.
Daten ernten
Was macht Erdbeeren lecker? Wo kann man in der Produktion noch Energie sparen? Aktuell sammelt das vGreens-Team mit der Erntezelle weitere technische Erfahrungswerte und vor allem viele Daten. „Wir testen gerade viel aus, um alles perfekt auszutarieren“, sagt Claas Ahrens, Co-Gründer und vGreens-CEO. „Für die optimale Größe und den bestmöglichen Geschmack muss einiges beachtet werden. Kalte Nächte bringen zum Beispiel größere Früchte. Ist der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht aber zu groß, werden die Früchte sauer.“
Getestet wird auch der beste CO2-Gehalt. „Ausreichend CO2 steigert die Photosynthese-Leistung der Pflanze, was die Frucht süßer macht. Wir erreichen schon einen Zuckergehalt von bis zu 20 Prozent Brix.“ Zum Vergleich: Leckere Sommer-Erdbeeren vom Feld erreichen einen Zuckergehalt von um die zehn Prozent Brix.
Noch ist die Erntezelle, die künstlich beleuchtet wird und abwechselnd geheizt und gekühlt werden muss, energieintensiv. Auch hier werden noch Daten gesammelt, um den Energieverbrauch optimal anpassen zu können. „Im Bereich erneuerbarer Energien kann man beispielsweise günstige Stromspitzen nutzen und die Anlage herunterfahren, wenn gerade weniger Strom verfügbar ist“, sagt Claas Ahrens.
Erdbeerproduktion mit kurzen Transportwegen
Am Ende aller Tests wird die Erntezelle vollautomatisiert Erdbeeren produzieren. Die vGreens-Software sorgt dann mit Hilfe künstlicher Intelligenz für stets perfekte Bedingungen, optimalen Energieeinsatz und gleichbleibende Qualität. „Supermärkten bieten wir dann aber keine Erdbeeren, sondern gleich die ganze Technik an“, sagt Claas Ahrens. „Die Früchte werden in der Nähe des Handels produziert und gelangen auf kurzem Wege in den Verkauf.“ 2024 sollen die vGreens-Erntezellen auf den Markt kommen – und später auch andere Früchte produzieren.
Willkommen in Essen!
2022 in Witten gegründet, haben sich die vGreens-Gründer Dr. Maximilian Hartmann, Assist. Prof. Dr. Caspar Krampe, Dr. Stefan Hey und Claas Ahrens mittlerweile für Essen als Firmensitz entschieden. „So ein Komplettangebot wie im Triple Z gibt es in Nordrhein-Westfalen selten“, erklärt Claas Ahrens die Entscheidung für den neuen Standort. „Neben der Hallenhöhe, dem zusätzlichen Büro und der Glasfaser, haben uns auch die Netzwerkangebote und die Lage mitten im Ruhrgebiet überzeugt.“
Das 17-köpfige vGreens-Team besteht aus Experten unterschiedlicher Fachrichtungen wie Software Development, Data Science, Pflanzenwissenschaften, Umweltwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre, Maschinenbau und Logistik. Auch finanziell kann sich das Startup über viel Unterstützung freuen und entspannt an ihrer Technik feilen: Es gibt bereits elf Investoren, die das Start-Up über zwei Finanzierungsrunden gewinnen konnte.