Wie alles begann – Rückblick mit den Gründervätern des Triple Z
Freitag, 23. Dezember 1994: In der Lohnhalle der stillgelegten Zeche Zollverein ist es kalt, durch das Dach tropft Wasser auf den dunkelbraun gestrichenen Boden, auf dem sich Pfützen gebildet haben. Weil es draußen schon fast dunkel ist, ist es auch in der Lohnhalle düster. Elektrisches Licht gibt es nicht mehr, seitdem auch die Ausbildungswerkstatt der Ruhrkohle AG das Gelände verlassen hat. „Eine Ruine“, sagt Hans Kühne, der an diesem Tag vor Heiligabend in der Lohnhalle steht – gemeinsam mit anderen Beteiligten des Essener Konsens, die den Standort Zollverein 4/5/11 in Augenschein nehmen.
„Aber die Atmosphäre stimmte“, da sind sich die Gründerväter des Triple Z auch heute noch, fast 22 Jahre später, einig. Zollverein 4/5/11 stand damit in ihren Köpfen als Standort fest – für die Umsetzung einer Idee, die zu diesem Zeitpunkt schon älter war: Zur Bekämpfung der enormen Arbeitslosigkeit, die der Bergbau im Essener Norden hinterlassen hatte, sollten wieder junge Unternehmen angesiedelt werden. „Katernberg befand sich im Niedergang“, erklärt Hans Kühne, damals beim Berufsförderungszentrum Essen e.V. (BFZ). „Aus diesen Trümmern entstand der Gedanke an ein Existenzgründerzentrum.“
Vorbild Business Village
Die Idee dafür war streng genommen abgeguckt. Norbert Meyer, damals Vorstandsvorsitzender des BFZ, war durch internationale Kontakte auf eben solche Projekte in Großbritannien und Israel gestoßen. In Israel besichtigte er ein Technologiezentrum, in Großbritannien beeindruckten ihn die Kooperationen unter den Startups im London Business Village. „Die Kommunikation funktionierte dort. IT-Fachleute arbeiteten mit Maschinenbauern zusammen und entwickelten schließlich ganz neue Geschäftsideen.“ An Rosenmontag 1994 – „weil da alle frei hatten“ – flog eine kleine Delegation des Essener Konsens nach London und kam vor allem mit dieser Erkenntnis zurück: Das soll es auch in Essen geben.
Alle an einem Tisch
Im Januar 1995 flossen die Londoner Erfahrungen während eines Workshops in Nottuln ein. „Das Ziel des Treffens war ganz klar: Wir gehen da raus mit einem Plan“, erzählt Prof. Klaus Wermker, der das Büro Stadtentwicklung in Essen leitete. „Wir haben dazu alle eingeladen: Befürworter, Gegner und Institutionen, die bei einer Finanzierung helfen könnten.“ Am Ende stand tatsächlich ein Konzept: Nach Londoner Vorbild sollte das Essen Business-Village, so der Arbeitstitel, einen breiten Branchenmix aufweisen, Kooperationen und Synergien unterstützen und Beratungsmöglichkeiten für Existenzgründer bieten.
Und noch etwas war in diesen Tagen in Nottuln entstanden: Gemeinschaftsgefühl und Aufbruchsstimmung. „Das überwog“, sagt Norbert Meyer zurückblickend. „Die Risiken eines solchen Projekts haben wir zwar auch gesehen – aber keiner hat sie angesprochen.“
Eine saubere Sache
Was fehlte, war eine geeignete Trägerschaft für das Zentrum, das keinesfalls als Subventionsobjekt am öffentlichen Tropf hängen sollte. Die sauberste Sache sei da eine Aktiengesellschaft gewesen, sind sich die Gründerväter einig – wenngleich die Idee in der Gründungsphase auf Kritik stieß. „Gleich eine Aktiengesellschaft? Warum blast ihr euch hier so auf?“ sei er damals gefragt worden, erzählt Dr. Horst Zierold, der zu dieser Zeit Prokurist bei der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft (EWG) war. Tatsächlich sei die AG aber wie geschaffen gewesen für ein solches Projekt, biete sie doch die Möglichkeit zur Mischfinanzierung durch private und öffentlich-rechtliche Geldgeber. „Das Beste war aber die Bürgerbeteiligung“, sagt Hans-Gerhard Dohle, damals beim Arbeitsamt Essen. „Großmütter zogen das Geld für Aktien aus der Schürze, um die Ansiedlung von Arbeitsplätzen für ihre Kinder und Enkel zu unterstützen.“ Vom einzelnen Katernberger bis zu Landesministerien fand sich ein beeindruckend großes Netzwerk zusammen – das mit dem Kauf von Aktien Unterstützung und Teilhabe manifestierte. An entsprechender Werbung samt Kaufempfehlung ließ es Werner Dieker, Aufsichtsratsvorsitzender der Triple Z AG, nie fehlen. „Wem ich eine Aktie anbot, kaufte sie mir früher oder später auch ab“, erzählt er lächelnd. „Schließlich wurde sogar vor mir gewarnt: Leute, geht heute lieber nicht auf den Katernberger Markt, Werner Dieker hat Aktien dabei.“
Peu à peu wurden Mitstreiter und Zustimmung gewonnen, um die noch anstehenden Aufgaben zu bewältigen: Die ehemalige Zeche musste aus der Bergaufsicht entlassen werden, die Stadt Essen musste Gelände und Gebäude kaufen und für die Arbeiten an den ersten beiden Bauabschnitten wurden immerhin 10 Millionen DM benötigt. Bis Ende 1995 sollte außerdem die Aktiengesellschaft gegründet sein. „Das zeigt den Enthusiasmus, den wir an den Tag legten. Rückblickend aber nicht realistisch“, erzählt Hans Kühne, der später Zentrumsleiter werden sollte. Und tatsächlich dauerte es ein Jahr länger, bis die größten Schwierigkeiten bewältigt waren. Am 22. November 1996 wurde schließlich die Gründungsurkunde der Triple Z AG unterschrieben.
Es ging pragmatisch weiter. Die Umbauten der Zeche wurden größtenteils mit Arbeitslosen bewältigt, die sich in einer ABM-Maßnahme befanden. Sie schützten zunächst das Gelände vor Vandalismus, sorgten für Wasser und Strom in den Gebäuden, arbeiteten als Pförtner oder Reinigungskräfte und wirkten schließlich konkret beim Umbau mit. Wo Fachfirmen engagiert werden mussten, wurden die ABM-Kräfte in die Arbeitsläufe einbezogen, um größtmögliche Lerneffekt zu erzielen. Am Ende eine typische win-win-Situation: Der Arbeitsmarkt profitierte von der arbeitsweltnahen Qualifizierung von Arbeitslosen, das Triple Z fand eine willkommene Hilfe und die Essener Wirtschaft erhielt zusätzliche Aufträge, die durch die bewilligten Fördermittel möglich waren.
Wachsen und Zukunft sichern
Der Rest ist heute, 20 Jahre später, eine Erfolgsgeschichte: die über 90 Unternehmen im Katernberger Triple Z bescheren dem Stadtteil aktuell rund 600 Arbeitsplätze.
Und die nächsten 20 Jahre? Weitermachen, expandieren und vor allem das bleiben, was Triple Z ist, sagt Dr. Horst Zierold. „Ein Stecklingskasten, in dem Startups und junge Unternehmen optimal wachsen können – und schließlich das Ruhrgebiet bereichern.“